Mobilitätsmarkt – die Musik spielt nicht bei uns
Wenn wir in Deutschland über die Mobilität der Zukunft diskutieren, dann reden wir meist über Deutschland – und vielleicht ein bisschen Europa. Dabei sind der deutsche oder europäische Mobilitätsmarkt in einer globalen Perspektive gar nicht so bedeutend wie man vielleicht denkt. Nicht beim heutigen Volumen und schon gar nicht beim zukünftigen Wachstum. Davon gleich mehr.
Die Mobilität der Zukunft ist nachhaltig, integriert, geteilt und digital
Bevor wir in die Märkte einsteigen, noch eine kurze Überlegung, wie die Mobilität der Zukunft optimalerweise aussehen sollte. Kurz gesagt, sie ist nachhaltig, integriert, geteilt und digital.
Nachhaltig im Sinne von klimafreundlich, insbesondere im Hinblick auf CO2-Emissionen. Integriert im Sinne von gesamthaft („end-to-end“) gedacht, als multimodale Mobilität zwischen A und B unter Verknüpfung verschiedener Verkehrsmittel. Geteilt im Sinne einer Auslastungsoptimierung der Verkehrsmittel weg vom Privatbesitz (Auto, Fahrrad etc.) hin zu Sharing-Ansätzen (z.B. Car Sharing, Bike Sharing etc.). Und digital unterstützt, mit dem Smartphone als dem persönlichen Reisebegleiter.
Der globale Mobilitätsmarkt ist 600 Milliarden US-Dollar schwer
Nach diesem Verständnis ist Europa mit Sicherheit der reifste Markt, Nordamerika hinkt hinterher und in Asien passiert das zukünftige Wachstum. In unserer groben Abschätzung des globalen Mobilitätsmarkts haben wir uns den Personenverkehr in Europa (EU), Nordamerika (USA und Kanada), und Asien (China und Indien) angeschaut. Alle übrigen Länder und Regionen sind im Cluster ROW („Rest of World“) zusammengefasst und beinhalten vor allem Südamerika, Südostasien und Afrika. Die betrachteten Verkehrsmodi umfassen PKW, Flugzeug, Zug und Bus.
Mit einem Volumen von ca. 600 Milliarden US-Dollar ist der globale Markt für Mobilität riesig. Schaut man sich die Regionen an, gibt es erhebliche Unterschiede im Hinblick auf Wachstum, Reife, Mobilitätsbewusstsein und Modalspilt. Der Anteil des PKW ist mit mehr als 75% in allen Regionen extrem hoch, wird aber insbesondere in Europa abnehmen. Trotz der in manchen Regionen aufkommenden “Flugscham” ist der Luftverkehr weiterhin zunehmend mit einem Anteil von ca. 10-15% an der Gesamtmobilität. Die vergleichsweise klimafreundlichen Varianten Zug und Bus sind bisher noch deutlich unterrepräsentiert. Die größten Unterschiede zwischen den Regionen zeigen sich bei Wachstum, Reife und Mobilitätsbewusstsein.
Europa reif, Nordamerika verspätet und Asien heterogen
In Europa gibt es aufgrund des zunehmenden Bewusstseins für Klimaschutz und die entsprechende EU-Gesetzgebung (z.B. CO2-Flottengrenzwerte für die Autoindustrie) eine Tendenz weg vom Auto hin zu Bus und Bahn. Beide Verkehrsmittel sind vergleichsweise klimafreundlich, gemäß verschiedener Analysen von Emissionswerten der Fernbus sogar noch mehr als die Bahn. Während das Auto ungefähr 140 Gramm Treibhausgasemissionen pro Personenkilometer ausstößt, kommt der Zug im Fernverkehr in Deutschland auf 36 Gramm, der Fernbus sogar auf nur 32 Gramm. Das Flugzeug als Klimakiller liegt bei ca. 200 Gramm. Dieses aufkommende Klimabewusstsein lässt vor allem in europäischen Großstädten das Angebot und die Nutzung von multimodaler Mobilität und von Sharing-Konzepten wachsen.
Anders ist die Situation in Nordamerika, insbesondere den USA. Fehlende Klimaregulierung und die geographische Struktur führen zu hohen Anteilen von PKW und Flugzeug. Bus und Bahn spielen fast keine Rolle. Die Transportmittelwahl ist in weiten Teilen der USA eine binäre. Alles was noch mit dem Auto machbar ist wird gefahren, der Rest wird geflogen. Bis auf einige Großstädte sind multimodale Mobilitätskonzepte wenig verbreitet.
Der asiatische Markt ist sehr heterogen, gemein ist allen Märkten lediglich die hohen zu erwartenden Wachstumsraten, besonders auch in der Luftfahrt. Bis 2050 werden China und Indien ein Drittel des gesamten globalen Personenverkehrsaufkommens ausmachen. Dabei ist China geprägt durch eine große Offenheit und auch ausgeprägte Zahlungsbereitschaft für smarte, digitale Mobilität. Diese wird insbesondere durch ein großes Vertrauen in chinesische Digitalunternehmen wie z.B. Baidu oder Didi unterstützt. In Indien ist ein weiteres Wachstum der Luftfahrt zu erwarten, der Bus ist deutlich unterrepräsentiert. Die anderen asiatischen Märkte (z.B. Südostasien) sind extrem heterogen, mit hohem Wachstum aber teilweise auch mit begrenzter Digitalisierung wie z.B. der Durchdringung von Onlinebuchungen.
Nachhaltige Tür-zu-Tür Lösungen sind gefragt
Für europäische Mobilitätsanbieter mit Wachstumsambitionen lassen sich daraus mehrere Implikationen ableiten. In Europa ist eine Positionierung als nachhaltiger, multimodaler Mobilitätsanbieter anzustreben. Transparenz über Nachhaltigkeit bei CO2-Emissionen der angebotenen Mobilitätsoptionen ist dabei von hoher Bedeutung. Um dem Kunden eine gesamthafte Tür-zu-Tür-Lösung anbieten zu können, wird die Integration der letzten Meile entscheidend sein, insbesondere auch außerhalb der Ballungszentren. Und für „bold moves“ außerhalb Europas führt kein Weg vorbei an China, auch wenn der Marktzugang reglementiert und mit zahlreichen Fallstricken behaftet ist.